December 14, 2020

Brexit-Verhandlungen: “Eine Seite wird am Ende nachgeben und ihre rote Linie rosa anmalen“

München, 14. Dezember 2020

Spieltheoretiker erwartet erfolgreichen Abschluss der Brexit-Verhandlungen

Zu den dramatischen Entwicklungen bei den Brexit-Verhandlungen erklärt Dr. Sebastian
Moritz, Vorstand des auf Spieltheorie spezialisierten Beratungsunternehmens TWS Partners
AG in München:

„Für die Briten und die EU steht viel auf dem Spiel. Die Unterhändler standen sich zuletzt an den
gezogenen roten Linien gegenüber. Es ist davon auszugehen, dass im Hintergrund bereits
zahlreiche Optionen für einen Kompromiss diskutiert und ausgearbeitet wurden, die wegen der
öffentlich kommunizierten Positionen der EU und Boris Johnsons aber immer von den
Unterhändlern als inakzeptabel zurückgewiesen werden mussten.

Es wird also am Ende eine Frage des politischen Willens sein, die ein oder andere Linie zu
verschieben oder sie sozusagen rosa anzumalen. Der politische Wille für eine Einigung ist nach
wie vor vorhanden, sonst hätten sich von der Leyen und Johnson nicht auf eine Fortsetzung der
Gespräche geeinigt und ihren Unterhändlern neue Instruktionen gegeben – und vielleicht haben
sie ihnen auch etwas mehr „Farbe und Pinsel“ in die Hand gegeben. Die EU ist bekannt für lastminute
Kompromisse in Brüssel. Auch Boris Johnson braucht innenpolitisch dringend einen
Erfolg und möchte dazu als derjenige wahrgenommen werden, der das Unmögliche möglich
macht. Erst den Brexit und dann noch den unmöglichen Deal mit der EU über die zukünftige
Beziehung.

Dass es am Ende ein dramatisches Finale sein muss, ist dabei keine Überraschung, sondern eine
Vorhersage der Spiel- und Verhandlungstheorie. Wenn ein Kompromiss möglich ist, dann wird
er sprichwörtlich in der letzten Minute gefunden – der sogenannte Deadline-Effekt.“